21.09.2023
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Einer der letzten Zeitzeugen

Vergiss nicht, wer du bist!“ Und: „Du sollst leben!“ Das waren die letzten Worte, die der 14jährige Sally Perel von Vater und Mutter mit auf den Weg bekam, beim Abschied in Lodz, Ende 1939. Seine Eltern wussten, dass sie ihren Sohn nie wiedersehen würden. (Sie gehörten zu den mehr als 6 Millionen Juden, die von den deutschen Nationalsozialisten ermordet wurden.)
Fast 77 Jahre ist das her. Jetzt sitzt ein kleiner alter 91jähriger Mann in einem Raum im da Vinci-Campus Nauen mit mehr als 100 SchülerInnen und erzählt ihnen seine unglaubliche Lebensgeschichte: „Ich war Hitlerjunge Salomon“ – unter diesem Titel (Buch und Film) ist die Autobiografie Sally Perels seit den 1990er Jahren in Deutschland bekannt.
Nach der Besetzung Polens durch die deutsche Wehrmacht in die Sowjetunion geflohen, holt ihn der Krieg 1941 erneut ein. Als er in einer langen Reihe ansteht, aus der die Juden aussortiert werden, hört Sally die Maschinengewehrsalven, mit denen sie hinter dem nächsten Hügel niedergemäht werden. Das ist also das Ende.
Aber er soll leben, hat seine Mutter gesagt. Und Sally will leben!
Manchmal muss man lügen, um zu leben. Der jüdische Junge verscharrt seine Papiere im Sand und sagt den Soldaten im akzentfreien Deutsch: Ich bin Volksdeutscher! Er hat Glück, es funktioniert. Er hat noch öfter Glück in den nächsten 4 Jahren, bis zum Kriegsende. Und Angst hat er, ständige Angst entdeckt zu werden, was gleichbedeutend mit seinem Todesurteil gewesen wäre. Zumal während der Jahre an der Eliteschule für Hitlerjungen …
Freimütig gesteht er seinen gespannten Zuhörern, dass er natürlich auch ein ganz normaler Junge war, der dazugehören wollte, zu seinen Kameraden, ein Hitlerjunge, der infiziert wurde mit dem Gift der Nazi-Ideologie – wie so viele seiner Generation. Er trage diesen Zwiespalt bis heute in sich. Er liebt die deutsche Sprache noch immer, sagt Deutschland bleibe sein Mutterland, wenngleich Israel seit fast sieben Jahrzehnten sein Vaterland sei.
Ganz zum Schluss, nach gut 90 Minuten, wird es ganz still. Sally Perel hat einen Auftrag an die Jugendlichen im Saal: „Jetzt habe ich euch meine Geschichte erzählt. Jetzt seid ihr die Zeitzeugen. Ihr müsst diese Geschichte weitererzählen – euren Kindern und Kindeskindern!“
Als wir nachher anstehen, um sein Buch von Sally Perel persönlich signieren zu lassen, hören wir, dass dies seine letzte Lesereise in Deutschland sein soll.
Danke! Und: Schalom!

Die Schüler und Schülerinnen der Geschichts-Leistungskurse der Klassen 11 und 12 werden sich noch lange an diesen Vormittag erinnern.
Vielen Dank für die Einladung an die KollegInnen des Leonardo-da-Vinci-Campus Nauen!

Sally Perel bei der Les ung in Nauenam 10.10.2016
Sally Perel bei der Lesung in Nauen am 10.10.2016
Sally Perel gibt ein Autogramm
Sally Perel signiert sein Buch