Ein guter Mord, ein echter Mord, ein schöner Mord.
Dunkelheit. Am Horizont wirkt die Silhouette eines Mondes, dessen weißes Licht durch die Bäume eines Waldes scheint.
Still. – Alles still.
Ein schmächtiger Mann im Wald – auf der Suche nach seiner mit Blut beschmierten Axt. Ein lebloser Körper liegt im Wasser eines Teiches. Gestalten im Wald, die auf diesen blicken – Marie ist tot. Die Nacht wird von einem Feuerball ergriffen, der Mond geht rot auf. – Wie ein blutig Eisen.
Es rührt sich was. Tosendes Dröhnen eines Hubschraubers, welches immer lauter wird. Von oben erscheint ein Lichtkegel, eine Strickleiter fährt herab.
Alles wird schwarz.
Ein guter Mord, ein echter Mord, ein schöner Mord. Mit diesen Worten endet Georg Büchners Dramenfragment „Woyzeck“. Ein Ende kann aber auch eine Chance für einen Neubeginn darstellen. Genauso beginnt das gleichnamige Theaterstück von Regisseur Ersan Mondtag, aufgeführt im Berliner Ensemble.
Seit September haben wir versucht, an Karten zu kommen. Anfang November hatte es dann endlich geklappt. Es freut uns sehr, die letzten Karten erhalten zu haben, da das Stück im Dezember zum letzten Mal aufgeführt wurde. „Woyzeck“ ist in Brandenburg auch das vorerst letzte Mal Abiturschwerpunkt. Um unsere angehenden Abiturientinnen und Abiturienten vielschichtig vorzubereiten und um das bisher Gelernte zu vertiefen, ging es für den gesamten 13. Jahrgang, den jeweiligen Lehrkräften aller Deutschkurse sowie weiterer schulischer Begleitung am Abend des 10.12.2024 nach Berlin ins Berliner Ensemble – mit dem Ziel, gemeinsam einen schönen Abend zu haben und für knapp zwei Stunden in eine andere Welt einzutauchen.
Diese andere Welt hat dabei etwas Außergewöhnliches zu bieten. Bei der Inszenierung von Ersan Mondtag werden alle Rollen von Büchners Original ausschließlich von Männern gespielt. Auf dem ersten Blick erscheint diese Entscheidung gewöhnungsbedürftig, doch liegt dem Ganzen ein höherer, wenn nicht direkt ersichtlicher Gedanke zugrunde. Ihm geht es nicht darum, wer am Ende schuld an der Katastrophe ist, wer Opfer und wer Täter ist. Für ihn steht das „Was“ im Mittelpunkt: Die Gesellschaft. Es ist eine rein männliche, patriarchale Gesellschaft, in der Woyzeck zu bestehen versucht, am Ende jedoch scheitert. Allerdings ist er nicht der Einzige. Die Strickleiter erscheint, der Lichtkegel verschwindet, alles wird dunkel im Wald: Die Gesellschaft als Ganzes ist gescheitert.
Eines ist klar: Inszenierungen sind verschieden. Alle haben sie einen unterschiedlichen Schwerpunkt, eine unterschiedliche Botschaft. Es ist eine Botschaft, die für unsere Gesellschaft noch heute von Bedeutung ist: Es geht um Versöhnung. Wie es Ersan Mondtag auch selbst gesagt hat: Wir verlernen zunehmend einander zu verzeihen, einander zu verstehen und füreinander zu wirken. Es geht nicht um den Einzelnen, es geht um uns alle. Büchner hat es seinerzeit vorgemacht, Mondtag hat diesen Gedanken aufgegriffen und auf seine Art umgesetzt. Es ist ein Appell an uns – an die Gesellschaft: Mehr miteinander, mehr aufeinander Acht geben, mehr Verständnis füreinander haben. Es ist eine Botschaft, die es mitzunehmen gilt, nicht nur für die jetzige Weihnachtszeit, sondern auch darüber hinaus: Für das neue Jahr, für die Zukunft, für alle Menschen auf der Welt.
In diesem Sinne: Allen ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr!
N. Nimptsch